Karneval
Der Karneval in Erftstadt ist aufgrund der späten Gründung der Stadt im Zuge der Kommunalreform 1969 weitestgehend dezentral organisiert. In den einzelnen Ortsteilen veranstalten die jeweiligen Karnevalsvereine in der fünften Jahreszeit zwischen dem 11. November und Aschermittwoch Sitzungen und Karnevalszüge.
Geschichte[Bearbeiten]
Ursprünge des Karnevals im Rheinland[Bearbeiten]
Der Karneval hat in der Region zwischen Köln, Bonn und Aachen eine lange Tradition. Bereits seit dem 14. Jahrhundert sind Fastnachtsfeiern in den Städten Köln und Aachen nachweisbar. Neben dem Festmahl, das ursprünglich im Mittelpunkt der Feierlichkeiten stand, kamen ab dem 15. Jahrhundert Maskierungen, Vermummungen und das Betteln um Gaben hinzu.[1]
Im 18. Jahrhundert beeinflussten italienische Vorbilder den Karneval, wodurch Maskenbälle und Umzüge populär wurden. So veranstaltete beispielsweise der Kölner Kurfürst Clemens August ab den 1740er Jahren Maskenbälle im Bonner Schloss. Die französische Besatzungszeit bedeutete zunächst einen Einschnitt für den Karneval, da die Verwaltung 1796 alle öffentlichen Feiern in Köln untersagte. Bereits 1799 wurde das Verbot jedoch wieder gelockert.[1]
Mit der preußischen Herrschaft ab 1815 erhielt der Karneval im Rheinland feste Strukturen. 1823 organisierten Akademiker, Schriftsteller und Kaufleute um Ferdinand Franz Walraff den ersten großen Maskenzug in Köln am Fastnachtsmontag. Damit wurde der Karneval reglementiert und gewann an Bedeutung. 1825 standen bereits wesentliche Grundstrukturen fest, darunter Sitzungen, Maskenzüge und Maskenbälle. Die Figuren des Karnevals wie der "Held Karneval", der spätere "Prinz Karneval" (seit 1872), die "Jungfrau", der "Bauer" sowie die "Roten Funken" und "Heiligen Knechte und Mägde" entstanden in dieser Zeit.[1]
Auch in ländlichen Regionen des Rheinlands verbreitete sich der organisierte Karneval ab Mitte des 19. Jahrhunderts und erfreute sich zunehmender Beliebtheit, trotz gelegentlicher Verbote in kleineren Städten und auf dem Land. In Erftstadt gab es umfangreiche karnevalistische Aktivitäten und Festumzüge insbesondere in Lechenich, Erp und Friesheim. In anderen Ortschaften wie Köttingen, Bliesheim, Niederberg und Liblar beschränkte sich das Karnevalsgeschehen zu dieser Zeit auf Maskenbälle und Tanzveranstaltungen in den örtlichen Gastwirtschaften.[1]
Karneval in den Stadtteilen[Bearbeiten]
Erp[Bearbeiten]
Erp entwickelte sich früh zu einer "Karnevalshochburg" im Kreis Euskirchen. Seit der Mitte des 19. Jahrhunderts fanden dort große Maskenbälle und Umzüge statt. Bereits im Jahr 1858 sind mehrere Züge durch die Stadt am Karnevalsmontag und -dienstag erwähnt, organisiert von einem Karnevalskomitee. 1886 bestand der Erper Maskenzug aus 19 humoristischen Wagen und Gruppen, begleitet von drei Musikchören. 1891 umfasste der Zug 27 Programmnummern, darunter humoristische Darstellungen und Parodien. 1889 fertigte Ferdinand Bungartz, Bruder des renommierten Tiermalers Jean Bungartz (1854-1934), eine Lithografie des Erper Karnevalszuges an.[1]
Bereits vor 1900 existierte in Erp eine Vielzahl von karnevalistischen Vereinigungen, z. B. die Carnevals-Gesellschaft, der Club "Schwamm drob", Mie senn emmer mött, Emme flott, Fidelia, das Geckencomité sowie die Närrische Genossenschaft Nr. 111, aus der die heute noch existierende KG 111 Erp hervorging.[1]
1911 wurde die nachweislich erste Damensitzung veranstaltet, der Eintritt betrug damals 30 Pfennige. Kurz darauf führte der Erste Weltkrieg zum vorläufigen Ende des organisierten Karnevals. Nach den Kriegsjahren wurde der Karneval in Erp wiederbelebt. So wird berichtet, dass während des Rosenmontagszuges 1929 Musikinstrumente aufgrund des kalten Wetters einfroren. In den frühen 1930er Jahren fanden Gala-Damensitzungen statt, 1931 beispielsweise mit 33 Künstlern. 1932 kam es zur erneuten Trennung der Karnevalsgesellschaften in die Närrische Genossenschaft Nr. 111 und Mie senn emmer mött.[2]
1939 wurde der letzte Rosenmontagszug vor dem Zweiten Weltkrieg veranstaltet. Nach Kriegsende begannen die Erper Karnevalisten 1948 erneut mit Feierlichkeiten, im Jahr 1949 folgte der erste Rosenmontagszug nach dem Krieg.[2]
In den 1950er und 1960er Jahren erlebte der Erper Karneval ein Auf und Ab. So wurden von 1955 bis 1964 keine Rosenmontagszüge mehr veranstaltet, doch fanden alternative Feierlichkeiten statt. 1965 begann eine neue Blütezeit des Straßenkarnevals mit aufwendigen Umzügen und prächtigen Wagenbauten. Zahlreiche Prinzenpaare und lokale Karnevalskünstler wie Theo Happe und Peter Schnitzler trugen zum Erfolg bei.[2]
1989 feierte Erp das 100-jährige Jubiläum des organisierten Karnevals mit einem aufwendig inszenierten Rosenmontagszug, der auf den Samstag vorverlegt wurde. Die Wagen waren den Motiven der Originalvorlage von 1889 nachgebaut. Nachdem die KG 111 im Jahr 1990 zunächst keinen neuen Vorstand fand, traten nach einem öffentlichen Aufruf 30 neue Mitglieder dem Verein bei. In den 1990er Jahren entstanden neue Traditionen wie öffentliche Sessionseröffnungen und ein Kinder- und Sommerfest. 1997 wurde die erste Musikkapelle gegründet, 1998 folgte das erste Damendreigestirn.[2]
Seit den 2000er Jahren setzt sich die Tradition mit neuen Prinzenpaaren, dem Dorfgemeinschaftshaus als neuem Veranstaltungsort und der Wiederbelebung von Kindersitzungen fort. 2017 stand erstmal seit 1994 wieder ein Kinderprinzenpaar an der Spitze des närrischen Treibens.[2]
Friesheim[Bearbeiten]
In Friesheim sind seit dem späten 19. Jahrhundert Karnevalsumzüge dokumentiert. 1897 bestand der von der Gesellschaft Narrenzunft organisierte Maskenzug aus zwölf Gruppen, 1898 aus 15 Abteilungen. Vor dem Ersten Weltkrieg waren in Friesheim auch die Carnevals-Gesellschaft "Nix sage" und die Karnevalsgesellschaft 1911. Die Veranstaltungen, wie Maskenbälle, Sitzungen und Aufführungen, fanden in den örtlichen Gasthäusern statt.[1]
Lechenich[Bearbeiten]
Die ersten gesicherten Hinweise auf Karnevalsfeiern in Lechenich stammen aus den 1850er Jahren. 1858 veranstaltete der "Lechenicher Ball-Verein" einen Maskenball im Gasthaus "Englischer Hof" (ab 1916 Kölner Hof) von Cornelius Richard Bechard. Masken und Dominos konnten vor Ort bei Buchdrucker und Manufakturwarenhändler Johann Jacob Breuer in der Frenzengasse 290 (heute Frenzenstraße 3) erworben werden. Im folgenden Jahr fand ein weitere Ball erneut am Karnevalssonntag (13. Februar 1859) statt, diesmal im Gasthaus „Zur goldenen Krone" (ab 1874 Rheinischer Hof, heute Frenzenstraße 1).[1]
Über die Zeit in den 1860er Jahren und der ersten Hälfte der 1870er Jahre liegen keine Quellen zu karnevalistischen Aktivitäten in Lechenich vor. In der Folge etablierten sich neben dem "Englischen Hof" weitere Veranstaltungsorte wie der "Kaisersaal" (ab 1919 Bürgersaal, im „Gasthaus zur Post“, heute Herriger Straße 17), der "Rheinische Hof" und "Zur alten Burg" (heute Herriger Straße 25) als zentrale Treffpunkte des Karnevals, in denen Fastnachts- und Maskenbälle am Karnevalssonntag und Rosenmontag stattfanden. Auch die St. Sebastianus Schützenbruderschaft veranstaltete ab 1892 eigene Maskenbälle, ebenso wie die Freiwillige Feuerwehr. 1905 fielen die Karnevalsveranstaltungen infolge des schlechten Wetters aus, 1911 aufgrund der Maul- und Klauenseuche.[1]
Vor dem Ersten Weltkrieg existierten in Lechenich fünf Karnevalsgesellschaften:
- Lechenicher Carneval-Gesellschaft (gegründet 21. Januar 1896)
- Mer gönn vor!! (16. Februar 1897)
- Carnevals-Gesellschaft (5. Dezember 1897)
- Erste Karnevalsgesellschaft Lechenich (11. November 1903)
- Mer leggen et net (11. November 1912)
Nach dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges dauerte es bis 1936, bis sich mit der Lechenicher Narrenzunft eine neuen Karnevalsgesellschaft in Lechenich gründete.[1]
Liblar[Bearbeiten]
Ende des 19. Jahrhunderts beschränkte sich das Karnevalsgeschehen in Liblar auf Maskenbälle und Tanzveranstaltungen in den örtlichen Gastwirtschaften. Durch den ersten Weltkrieg kam es schließlich zu einem vorübergehenden Ende der karnvalistischen Aktivitäten. Nach dem Ende des Krieges wurden auch die Feierlichkeiten zum Karneval wieder aufgenommen und so entstand am Fastnachtsdienstag im Jahr 1936 in der Gaststätte Gretz die spontane Idee, eine Karnevalsgesellschaft zu gründen. Bereits am darauffolgenden Aschermittwoch wurde die Fidele Narrenzunft ins Leben gerufen. Unter der Leitung von Matthias Schwingeler nahm der Verein seine Arbeit auf, trotz fehlender finanzieller Mittel und Erfahrungen. Die erste Karnevalssitzung wurde bereits 1937 in der Kegelbahn der Gaststätte Gretz abgehalten. Im gleichen Jahr wurden auch erstmals Statuten aufgestellt und ein ordnungsgemäßer Vorstand gewählt.[3]
Der Zweite Weltkrieg setzte dem karnevalistischen Treiben in Liblar ein jähes Ende. Viele Mitglieder der Fidelen Narrenzunft kehrten nicht aus dem Krieg zurück, und die Nachkriegsjahre waren von Not und Entbehrung geprägt. Erst 1947 erfolgte eine erste Versammlung, die den Neustart der Gesellschaft einläutete. Dank des Engagements vieler neuer und alter Mitglieder konnte wieder eine Karnevalssitzung organisiert werden. Im Jahr 1950 fand schließlich die erste Prinzenproklamation statt: Peter Schaeben wurde als erster Karnevalsprinz von Liblar gefeiert.[3]
In Oberliblar formierte sich 1956 eine eigene Karnevalsgesellschaft. Auf Initiative von Josef "Jupp" Zimmermann (SC Fortuna Liblar), Franz Jauck (Freiwillige Feuerwehr) und Jakob Schwingeler (Männer-Gesangsverein) wurde am 26. Februar 1956 die KG Klüttefunke Oberliblar gegründet. Toni Vallender wurde einstimmig zum ersten Präsidenten der Gesellschaft gewählt. Bereits im Folgejahr fand die erste Karnevalssitzung der neuen Gesellschaft statt, gekrönt von der Proklamation des ersten Prinzen Josef I. (Josef Bensberg). Am Rosenmontag wurde zusätzlich ein Karnevalszug in Oberliblar veranstaltet.[4]
In den 1960er Jahren hatten beide Vereine Probleme, größere Veranstaltungen durchzuführen, da die bisherigen Veranstaltungsorte nicht mehr zur Verfügung standen. Notgedrungen wurde für die Sitzungen und Proklamationen in kleinere Säle und Gaststätten ausgewichen. Beibehalten wurde während dieser Zeit die Tradition der Karnevalszüge am Karnevalssonntag (Liblar) und Rosenmontag (Oberliblar). Mit der Fertigstellung des Neubaus der Gottfried-Kinkel-Realschule konnte die Aula ab 1969 durch die örtlichen Vereine genutzt werden, wordurch wieder größere Veranstaltungen möglich waren.[3][4]
Vor dem Hintergrund der steigenden Bevölkerungszahlen und dem Zusammenwachsen von Liblar und Oberlibar schlossen beide Gesellschaften im Jahr 1970 einen Freundschaftsvertrag, um den Karneval in Liblar zukünftig gemeinsam zu gestalten. Dies führte unter anderem dazu, dass seit 1971 ein gemeinsamer Festzug am Karnevalssonntag durch beide Ortsteile organisiert wird. Im selben Jahr stellte die KG Klüttefunke das erste gemeinsame Prinzenpaar und die Fidele Narrenzunft das Kinderprinzenpaar.[3][4]
Der Karneval in Liblar entwickelte sich in den nächsten Jahrzehnten stetig weiter. In den 1990er Jahren wurden bedeutende Meilensteine gesetzt: Die KG Klüttefunke Oberliblar baute 1992/1993 ein neues Vereinsheim in der Bahnhofstraße, die Glück-Auf-Halle. Die Fidele Narrenzunft konnte ein Vereinsheim im ehemaligen Feuerwehrhaus an der Ludwigstraße beziehen, das nach aufwendigen Umbauten 1995 eröffnet wurde. Zu den weiteren Höhepunkten gehörte die Einführung der „Kölschen Mess“ in der Pfarrkirche St. Alban, die seit 1994 jährlich gefeiert wird. Auch die Tanzgarden der Vereine erlangten große Popularität, mit Formationen wie den „Fidelen Mariechen“ oder der „Tanzgarde Grün-Weiß“.[3][4]
Aktive Karnevalsvereine[Bearbeiten]
- 1. Karnevalsgesellschaft Bliesheim 1954 (Gegründet: 1954)
- Fidele Narrenzunft Liblar 1936 (Gegründet: 1936)
- Interessengemeinschaft Ahremer Karneval
- Interessengemeinschaft Gymnicher Karneval (Gegründet: 1968)
- Karnevalsfreunde Gymnich von 2002 (Gegründet: 2002)
- Karnevalsgesellschaft 1911 Friesheim (Gegründet: 1911)
- Karnevalsgesellschaft Blessem (Gegründet: 1993)
- Karnevalsgesellschaft Brav-Jonge 1951 (Gegründet: 1951)
- Karnevalsgesellschaft Klüttefunke Oberliblar 1956 (Gegründet: 1956)
- Karnevalsgesellschaft Närrische Genossenschaft 111 Erftstadt-Erp (Gegründet: 1898)
- Lechenicher Narrenzunft (Gegründet: 1936)
- Rheinflotte Blaue Jungs (Gegründet: 1958)
- Theaterverein "Rose" Prinzengarde Erftstadt-Köttingen
Karnevalssitzungen[Bearbeiten]
(zu ergänzen)
Karnevalszüge[Bearbeiten]
In fast alles Ortsteilen finden zwischen dem Freitag nach Weiberfastnacht und dem Veilchendienstag Karnevalszüge statt, die den Höhepunkte des Straßenkarnevals darstellen.
→ Übersicht zu den Zügen und Terminen
Einzelnachweise[Bearbeiten]
- ↑ 1,0 1,1 1,2 1,3 1,4 1,5 1,6 1,7 1,8 1,9 Frank Bartsch: Kontinuität und Wandel auf dem Lande: Die rheinpreußische Bürgermeisterei Lechenich im 19. und beginnenden 20. Jahrhundert (1815-1914). Weilerswist 2015, S. 313-321.
- ↑ 2,0 2,1 2,2 2,3 2,4 Historie. In: kg111erp.de. Abgerufen am 7. März 2025.
- ↑ 3,0 3,1 3,2 3,3 3,4 Geschichte. In: fidele-narrenzunft.de. Abgerufen am 8. März 2025.
- ↑ 4,0 4,1 4,2 4,3 Vereinsgeschichte. In: kg-kluettefunke.de. Abgerufen am 8. März 2025.